CADFEM Journal 01-2023

AUSGAB E 01 2023 D I G ITAL ENG I NE E R I NG S IMULATI ON JOURNAL G I E SS E R E ITECH N I K Digitale Zwillinge von hochbelasteten Anlagenkomponenten: Kontrollierte Wartung statt ungeplanter Stillstand. DIE DIGITALISIERUNG DER EXTREME WE RKSTOFFE MATERIALWAHL DIGITAL Wie SCHUNK sicher und schnell den optimalen Werkstoff ermittelt. D I G ITAL I S I E RUNG ENGINEERING 2030 CADFEM CEO Matthias Alberts über die erweiterte Rolle der Simulation. B LU E P R I NT VONEINANDER LERNEN Neuer Engineering-Talk mit Impulsen und Erfahrungen von Praktikern.

2 ULRICH LAPPE Head of PET-Pack Design & Application | KRONES AG cadfem.net/krones » JEDER PROTOTYP, DEN WIR AUFGRUND DER SIMULATION WENIGER BAUEN & PRÜFEN MÜSSEN, REDUZIERT DIE DIREKTEN KOSTEN ERHEBLICH.

3 E D ITOR I AL DIGITAL ENGINEERING IST MEHR ALS SIMULATION Mein erstes Mobiltelefon hatte ein einziges „Feature“: Man konnte damit – nomen est omen - mobil telefonieren. 25 Jahre später erleichtern Smartphones mit ihren unfassbar vielen Funktionalitäten unser Alltagsleben. Das Smartphone ist ein Paradebeispiel, wie durch das Wachsen und Zusammenwachsen von Technologien Innovationen entstehen. Um die Stabilität, Funktionalität oder Signalübertragung des eingangs erwähnten Mobiltelefons zu untersuchen, war bei dessen Entwicklung natürlich schon Simulationstechnologie im Spiel. Sie und ihre Anwendungsfelder sind rasant gewachsen, so dass beim Engineering jedes seiner Nachfolger bis zu den neuesten Super-Smartphones auch die Intensität der Simulation stetig gestiegen ist – in der physikalischen Tiefe und Breite. Simulation wächst zudem auch mit anderen Technologien zusammen und wird damit längst auch außerhalb der eigentlichen Produktentstehung zum Faktor. Ein Beispiel zeigt die Titelgeschichte hier im Heft: Lesen Sie, wie die Firma RAUCH-FT mit simulations- gestützten digitalen Zwillingen ihrer Schmelzöfen Maßstäbe in der Gießereitechnik setzt: Durch Live-Monitoring im laufenden Betrieb werden die Ausfallsicherheit der Anlagen und die Arbeitssicherheit des Personals erhöht. Erfolgreiche Unternehmen verankern Simulationstechnologie heute im gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte. So wird beim Model Based Systems Engineering (MBSE) die Komplexität von Gesamtsystemen inklusive der Einzelkomponenten interdisziplinär digital hinterlegt. Dadurch können auch höchst unterschiedliche, sich zum Teil sogar widersprechende Anforderungen in Einklang gebracht werden – die Basis für die bessere Lösung, für Innovation. Essenziell sind dafür der sichere und nachvollziehbare Einsatz von Informationen, Daten, Modellen und Funktionsarchitekturen sowie geführte, intuitive Workflows. Digital Engineering ist mehr als Simulation, weil die in jeder Hinsicht ganzheitliche Vorgehensweise technische Entwurfs- und Analyseprozesse agiler, genauer, zuverlässiger und interaktiver macht. Lassen Sie sich vom CADFEM Journal inspirieren, wie Sie den digitalen Faden über den gesamten Produktlebenszyklus bei sich spinnen oder weiterspinnen können. Bei CADFEM unterstützten wir Sie, Ihre Anforderungen, Ihr Expertenwissen und Ihre Datenmodelle optimal aufeinander abzustimmen. Rufen Sie uns an – oder kontaktieren uns über eine der vielen anderen Optionen, die Ihr Smartphone dafür bereithält. Herzlichst Ihr Dr.-Ing. Matthias Hörmann DR.-ING. MATTHIAS HÖRMANN Bereichsleiter Engineering Services CADFEM Germany GmbH

4 I N HALT 04 E D ITOR I AL Simulat ion & digi tale Transformat ion 06 TRANSFORMATION UND SIMULATION Ergebnisse aus einer aktuellen CADFEM Marktstudie. 08 BLUEPRI NT Auf Sendung: Der Digital Engineering-Talk von CADFEM. Anwenderber ichte 10 SICHER ZUM BESTEN WERKSTOFF SCHUNK integriert die Materialauswahl in die digitale Entwicklungskette. 12 20% LE ICHTER VON A NACH B Große Gewichtseinsparungen durch Simulation bei Schwarzmüller. 20 ICH SEHE WAS, DAS DU N ICHT SI EHST Wettbewerbsvorteil Digitaler Zwilling: RAUCH-FT setzt Maßstäbe. CAD FEM 14 CAE – CADFEM AI DED ENG I NEERI NG CADFEM im Portrait 16 NACHGEFRAGT BE IM CEO CADFEM Geschäftsführer Matthias Alberts im Interview 18 BLICK I N DI E TECHN I K Systemsimulation als Innovationstreiber SE ITE 20 SE ITE 16 SE ITE 10

5 I N HALT PRÄDIKTIVE WARTUNG In Magnesium-Schmelzöfen von RAUCH-FT herrschen extreme Bedingungen. Ein digitaler Zwilling des Tiegels sorgt dafür, dass seine Restlaufzeit vorhersehbar wird und die Wartung kontrolliert erfolgt. Ergebnis: Mehr Sicherheit, weniger Stillstand. LET’S TALK ABOUT DIGITAL ENGINEERING Blueprint ist ein junges, frisches Talk-Format von CADFEM. Auf unterhaltsame Weise geben Praktiker mit unterschiedlichen Rollen und Hintergründen wertvolle Tipps und Impulse zur digitalen Transformation im Bereich der Produktentwicklung. SE ITE 06 STARKE LE ICHTGEWICHTE Das Eigengewicht von Transportlösungen ist ein wichtiges Kriterium am Markt. Um es zu senken, hat Schwarzmüller Simulation eingeführt. Mit Erfolg: Zusätzliche 20% Gewichtseinsparungen wurden herausgeholt – bei mehr Kapazität. SE ITE 12 SYSTEMSIMULATION ALS INNOVATIONSTRE IBER Systemsimulationen machen vieles nicht nur schneller, sondern einiges erst möglich. Drei unterschiedliche Beispiele zeigen, was durch die geschickte Kombination verschiedener Modelltypen, Reduktionsansätze und CADFEM Know-how erreichbar wird. SE ITE 18 QUO VADIS, CADFEM? Matthias Alberts ist seit einem Jahr Geschäftsführer von CADFEM Germany. Im Interview skizziert er die aktuellen Herausforderungen der Industrie im Engineering und wie CADFEM seine Kunden unterstützt, sie erfolgreich zu bewältigen. I MP R E SSUM HERAUSGEBER CADFEM Germany GmbH | Am Schammacher Feld 37 | 85567 Grafing b. München | T +49 (0)8092 70 05-0 | info@cadfem.de | www.cadfem.net GESCHÄFTSFÜHRER Matthias Alberts | Dr.-Ing. Jürgen Vogt | Erke Wang HANDELSREGISTER-NUMMER HRB München Nr. 75979 REDAKTION Alexander Kunz | akunz@cadfem.de (v.i.S.d.P.) KONZEPTION, LAYOUT & ILLUSTRATIONEN b.lateral GmbH & Co. KG | www.blateral.com DRUCK Mayr Miesbach GmbH I Am Windfeld 15 I 83714 Miesbach www.mayrmiesbach.de GELTUNGSBERE ICH weltweit COPYRIGHT © 2023 CADFEM Germany GmbH | Alle Rechte vorbehalten | Gedruckt in Deutschland. Die Publikation ist zeitgleich als ePaper erschienen. Ansys und die genannten Ansys-Produkte sind eingetragene Warenzeichen von ANSYS, Inc.. Auch die Wiedergabe aller anderen Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in dieser Zeitschrift berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Herausgebers strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Irrtümer und Änderungen vorbehalten. WERKSTOFFWAHL DIGITAL Die digitale Transformation bei SCHUNK ist weit fortgeschritten. Eine verbliebene Lücke wurde nun geschlossen: Ansys Granta Selector unterstützt die Entwickler bei der zielgenauen Auswahl des optimalen Werkstoffs nach individuellen Kriterien.

6 S I MU LATI ON & D I G ITALE TRANS FORMATI ON Transformation & Simulation » EINE DIGITALE TRANSFORMATION IST VOR ALLEM DANN ERFOLGREICH, WENN PROZESS- UND SYSTEMARCHITEKTUREN ENDE-ZU-ENDE ERDACHT, GEPLANT UND UMGESETZT WERDEN. EIN WESENTLICHER ERFOLGSFAKTOR IST DABEI DER EINSATZ VON BEHERRSCHBAREN TECHNOLOGIEN. ANDRE FRANKENBERG Digital Transformation Officer bei SEW-EURODRIVE • Diese Sichtweise wird bestätigt durch weitere Ergebnisse: Sowohl beim Budget als auch beim Fortschritt der Digitalisierung waren rund 90% aller Befragten der Meinung, dass ihr Unternehmen die Notwendigkeit einer Digitalisierungsstrategie im Bereich der Produktentwicklung erkannt und Maßnahmen eingeleitet hat. • Nur noch bei rund 25% der Befragten erfolgt der Entwicklungsprozess sequenziell, weitere knapp 30% setzen auf eine agile Vorgehensweise. Fast die Hälfte aller befragten Unternehmen betreiben bereits Simultaneous Engineering – und damit ein Prozessdesign, das für eine hohe Effizienz steht und einen hohen Digitalisierungsgrad voraussetzt. • Gefragt nach dem Einsatzgebiet der Simulation wird von nahezu allen die Entwicklung und Optimierung von Produkten genannt. Das überrascht nicht. Bemerkenswert sind dagegen die Aussagen, dass Simulation ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierungsstrategie (85%) und der Nachhaltigkeitsstrategie (80%) im Unternehmen ist. Die Bedeutung und Wucht der digitalen Transformation sind bekannt. Bei den damit verbundenen Veränderungen und Chancen für den Bereich der Simulation muss ein Unternehmen wie CADFEM wiederum besonders genau hinsehen, um für die über 4.000 Kunden, die weltweit auf CADFEM vertrauen, der gewohnt verlässliche Partner zu bleiben. Wir haben daher unsere Kompetenzen, unsere Erfahrungen und den Weg, den unser wichtigster Partner, ANSYS, Inc. vorzeichnet, überprüft: Im Sommer 2022 hat CADFEM eine groß angelegte Marktstudie zum Thema Simulation durchführen lassen. Wir wollten erfahren, was Unternehmen im Spannungsfeld aus Produktentwicklung, Digitalisierung, und der wirtschaftlich-geopolitischen Aktualität besonders beschäftigt und was Simulation heute und morgen leisten muss, um gerade die kleinen und mittelgroßen Unternehmen nachhaltig zu stärken. ERKENNTNISSE DER MARKTSTUDIE Im Rahmen der CADFEM Markstudie wurden rund 400 Personen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung befragt. Hier ein kleiner Auszug aus den Ergebnissen. Bei der Frage nach den größten Herausforderungen in der Produktentwicklung belegten mit der Senkung von Entwicklungs- und Fertigungskosten die bekannten und zudem gut messbaren Vorteile die ersten Plätze. Management sieht Simulation Betrachtet man nur die Antworten der Personen aus der oberen Führungsebene, ergibt sich ein anderes Bild: Unter den 5 am höchsten bewerteten Herausforderungen tauchen nun Digitalisierung (Nr. 1), Innovation (Nr. 3) und optimaler Ressourceneinsatz (Nr. 4) auf. Mit anderen Worten: Spätestens jetzt, im Fahrtwind und als Teil der Digitalen Transformation, wird Simulation über alle Ebenen hinweg als strategischer Erfolgsfaktor verstanden, der weit über die operative Produktentwicklung hinaus Relevanz hat. Machbarkeit prüfen Produktionsprozesses beachten Alle Befragte: Die kumulierten am häufigsten an Nr. 1 – 5 genannten größten Herausforderungen in der Produktentwicklung Entwicklungskosten reduzieren Fertigungskosten reduzieren Frühzeitig Konzepte entwickeln / Wirtschaftlichkeit des Produktes / Einhaltung der Qualität beachten 30% 28% 27% 25% 24%

7 CAD FEM JOU RNAL » INDEM SIMULATION TATSÄCHLICH VOLL IM ENTWICKLUNGSPROZESS INTEGRIERT WIRD, ENTSTEHEN MÖGLICHKEITEN, DATEN ZU ZENTRALISIEREN, PROZESSE ZU AUTOMATISIEREN UND SO ENTWICKLUNGSZYKLEN ZU VERKÜRZEN. JOSEF OVERBERG Bereichsleiter Business Development CADFEM Germany GmbH Mit mehr als 100 Seminartiteln zu einem breiten Spektrum an Anwendungen und in verschiedenen Formaten ist CADFEM Europas Nr. 1 in der CAE-Aus- und Weiterbildung. Entdecken Sie das einzigartige Angebot an Seminaren, eLearnings, Lehrgängen und berufsbegleitenden Abschlüssen auf CADFEM.NET/SEMINARE SEMINARE & ELEARNING Im Engineering sind maximale Effizienz bei der Gestaltung von Prozessen und der Allokation von Ressourcen wichtiger denn je. Die Digitalisierung liefert dafür die notwendigen Technologien, in der Ansys ConnectProduktfamilie sind sie maßgeschneidert für die Simulation umgesetzt. CADFEM begleitet Sie auf dem Weg zur maßgeschneiderten Ansys Connect- Lösung! CADFEM.NET/CONNECT ANSYS CONNECT Über die Studie: Die genannten Ergebnisse stammen von einer Marktstudie, die das Marktforschungsinstitut B2B International 2022 im Auftrag von CADFEM durchgeführt hat. Befragt wurden 406 Personen aus der D-A-CH Region, die als Anwendende oder Angehörige der mittleren oder oberen Managementebene in F&E-Prozesse involviert sind bzw. diese verantworten. Management-Sicht: Die kumulierten am häufigsten an Nr. 1 – 5 genannten größten Herausforderungen in der Produktentwicklung 4. Effizienten Ressourceneinsatz steuern 1. Digitalisierung 2. Fertigungskosten reduzieren 3. Innovation steuern 5. Variieren und optimieren Herausforderungen bei der Simulation Auch danach haben die Marktforscher gefragt: Was bremst Unternehmen, in Simulation zu investieren, sie zu intensivieren, weiterzuentwickeln? Bei einigen der großen Schmerzpunkte - Komplexität, fehlende Konnektivität, Fachkräftemangel - kann aktiv gegengesteuert werden, wenn Simulation Teil der Digitalisierungsstrategie ist: Automatisierung, Datendurchgängigkeit und -zentralisierung, Erstellung von fertigen Workflows, hochgenaue Verhaltensmodelle und modellbasiertes Systems Engineering sind die Bausteine dafür. Ansys stellt z.B. in der Ansys Connect Produktfamilie Lösungen bereit. Übrigens: Auch auf die von einem Drittel monierten mangelnden Aus- und Weiterbildungsangebote hat CADFEM mit einem Portfolio aus über 100 unterschiedlichen Seminartiteln eine Antwort. Alle Befragte: Die 5 am häufigsten genannten Herausforderungen bei der Nutzung von Simulationssoftware. Komplexität der Software Import/Export/Austausch von Daten Mangelnde Schulungsangebote Fehlende qualifizierte Mitarbeitende Geringe Verlässlichkeit der Ergebnisse 38% 37% 33% 32% 28%

CAS E STU DY – G E B E R IT S I MU LATI ON & D I G ITALE TRANS FORMATI ON 8 DER DIGITAL ENGINEERING TALK VON CADFEM Wer einen 360°-Blick auf das Thema Digital Engineering wirft, muss auch Stolperfallen und unliebsame Begleiterscheinungen klar benennen. Blueprint tut das. Im Live-Talk von CADFEM geben Praktiker aus der Industrie ihre Erfahrungen weiter. Moderiert von Sarah Yvonne Elsser („Tech Well Told“) liefert Blueprint eine kurzweilige Mischung aus Unterhaltung, Meinungsaustausch, strategischen und technischen Informationen. AKTUELL Vorsprung durch Innovation - mit Digital Engineering? Live-Stream 4. Juli 2023 | 11:00 – 12:00 Uhr Sarah Yvonne Elsser diskutiert darüber mit den Gästen • Dr. Jane Ghiglieri Head of Department Optics & Display Technology, Continental • Peter Rauch Geschäftsführer, Rauch Furnace Technology • Dr. Bernhard Wienk-Borgert Co-Founder & CTO, GLOBE Fuel Cell Systems • Chris M. Stich Head of Advanced Development Digital Engineering, Festo Live dabei sein oder Stream anfordern: CADFEM.NET/BLUEPRINT-INNOVATION

CAD FEM JOU RNAL 9 Inhalte, kostenlose Anmeldung zum Live-Stream und Zugang zu den Aufzeichnungen: CADFEM.NET/ BLUEPRINT-TALK „Digital Engineering in KMUs – Chance oder Belastung?“ war im März das PremierenThema von Blueprint, dem Digital Engineering Talk von CADFEM. Mit Michael Klandt, Leiter Entwicklung Fahrwerk global bei Benteler Automobiltechnik Dr. Fabian Eckermann, Head of System Engineering bei HSE AG Dr. Ulrich Kaiser, ehemals Director Technology bei Endress + Hauser und Rolf Schröder, Director Engineering Processes & Tools bei KnorrBremse Systeme für Schienenfahrzeuge waren nicht nur verschiedene Branchen, sondern auch höchst unterschiedliche Rollenträger vertreten. Gemeinsam mit der Moderatorin Sarah Yvonne Elsser zeichneten sie ein vielschichtiges Bild, wann und wie eine Implementierung von Digital Engineering gelingt - und wie nicht - und warum es fahrlässig sein kann, darauf zu verzichten. Alle vier Gäste betonten, dass eine Einführung nur mit einem detaillierten und individuellen Konzept funktioniert. Die Praktiker empfahlen auch dringend, sich von externen Experten unterstützen zu lassen - das kann ein Hochschul-Institut sein oder ein Unternehmen wie CADFEM. Denn mit Digital Engineering könne man nicht nur Entwicklungsprozesse beschleunigen sondern eben "auch schneller Mist bauen", wie Ulrich Kaiser anmerkte. Einig war man sich auch, dass Digital Engineering das Know-how und die technische Kreativität von Ingenieuren nicht ersetzt, dafür Zeitfresser auflöst und unliebsame und für hochqualifizierte Fachkräfte wenig motivierende Aufgaben automatisiert. Dass dadurch eine Menge Zeit eingespart wird, leuchtet ein. Dass gerade KMUs dadurch schlicht die eigene Wettbewerbsfähigkeit erhalten, unterstreicht sowohl den Stellenwert als auch den Handlungsbedarf. Michael Klandt wies darauf hin, dass man ohne digitalisierte Prozesse speziell im internationalen Wettbewerb gar nicht mehr mitkommt. Weitere Aspekte, die diskutiert wurden: • Wie lange dauert die Einführung von Digital Engineering in KMUs? • Wie wird aus vielen Silos eine ganzheitliche Lösung? Rückblick auf den Blueprint "Digital Engineering in KMUs – Chance oder Belastung" • Welche Use Cases eignen sich zum Einstieg in Digital Engineering? • Wie lässt sich der Erfolg von Digital Engineering messen? • Woran kann die Einführung von Digital Engineering scheitern? Übrigens kamen auch die Zuschauenden zum Zug. In Live-Umfragen zu verschiedenen Themen brachten sie sich rege ein und lieferten ein zusätzliches Stimmungsbild. NEUGIERIG? Jetzt die Aufzeichnung (60 Minuten) von Blueprint „Digital Engineering in KMUs – Chance oder Belastung?“ anfordern!

10 ANWE N D E RB E R I CHTE Sicher zum besten Werkstoff Digitale Entwicklungsketten sind kein Wettbewerbsvorteil, sondern ein Muss. Das gilt auch für sogenannte „Hidden Champion“ wie SCHUNK, dem globalen Technologieführer in der Spann- und Greiftechnik. Um beim Thema Werkstoffe noch effizienter und flexibler zu sein, wurde der Materialauswahlprozess digitalisiert. » ANSYS GRANTA SELECTOR HILFT UNS DURCH DIE SCHNELLE ÜBERSICHT ÜBER VERFÜGBARE WERKSTOFFSORTEN UND –FAMILIEN SOWIE DIE GUTE VERGLEICHBARKEIT VIELER EIGENSCHAFTEN EINE OPTIMALE WERKSTOFFLÖSUNG ZU FINDEN. DANIEL BARTA Werkstoffspezialist und Entwicklungsingenieur bei SCHUNK Eine typische Herausforderung der Produktentwicklung ist, unterschiedliche Vorgaben zum Material unter einen Hut zu bringen: Robust, aber leicht; hochwertig, aber wirtschaftlich; speziell, aber verfügbar; langlebig, aber ökologisch … eine Auflistung, die beliebig fortgesetzt werden kann, gerade auch vor dem Hintergrund unsicherer Rohstofflieferketten. Ohne Kompromisse beim Werkstoff geht es nicht - nur welcher ist der Beste? Ihn gilt es bei jedem Projekt individuell aufs Neue zu ermitteln. Denn: Die richtige Entscheidung hat einen direkten Einfluss auf den Erfolg des Produktes. SCHLÜSSELROLLE IM PRODUKTENTSTEHUNGSPROZESS Daniel Barta ist Ingenieur und Werkstoffspezialist in der Forschung und Entwicklung bei SCHUNK, dem Weltmarktführer für Greif- und Spanntechnik. Mit seinem Know-how zur Werkstoff- und Oberflächentechnik unterstützt er die Projektteams bei der Entwicklung neuer Produkte für das SCHUNK-Leistungsspektrum. Wir sprechen von rund 11.000 verschiedenen Standardkomponenten. Sein Verständnis für die Werkstoffthematik bei der Gestaltung von Spitzenprodukten sagte ihm: Da geht eigentlich noch mehr! Denn Digital Engineering lässt es zu, Anforderungen, Expertenwissen und exakte Materialdatenmodelle so miteinander zu verknüpfen, dass Zielkonflikte noch viel effizienter aufgelöst werden als mit traditionellen, im Wesentlichen auf Erfahrungswerten basierenden Verfahren. Bisher noch ungenutzte Potenziale können realisiert und Produkte besser, ökologischer und wirtschaftlicher werden. INTELLIGENTE PLATTFORM STATT STATISCHE INSELLÖSUNGEN Eine nachhaltige Lösung, die zu SCHUNK passt und dem anspruchsvollen Anforderungsprofil gerecht wird, findet man nicht nebenbei. Eine solche strategische Entscheidung muss fundiert vorbereitet werden. Gesagt, getan: Zum Abschluss seines Fernstudiums in Maschinenbau wurden das Konzept, die Evaluierung und die Auswahl eines datenbankgestützten Werkstoffauswahlprozesses das Thema der Masterthesis von Daniel Barta. SYSTEMATISCHE WERKSTOFFAUSWAHL Schlüsselkriterien für die Materialwahl bei SCHUNK sind neben der technischen Eignung die Kosten und Verfügbarkeit des

11 CAD FEM JOU RNAL Die umfassende Datenbank von Ansys Granta Selector mit vielen vollständig definierten Materialien wird systematisch durchsucht (oben). Nachdem die vorgegebenen Kriterien immer enger gezogen werden, verbleiben wenige geeignete Kandidaten (unten). MEHR ZUM THEMA Infoseite zur Material- und Energieeffizienz: CADFEM.NET/RESSOURCENEFFIZIENZ Mehr zu Ansys Granta Selector CADFEM.NET/GRANTA Mehr zu Schunk SCHUNK.COM Ausführlicher Beitrag im CADFEM Journal online: CADFEM.NET/SCHUNK-GRANTA Materials auf dem Markt. Der zugehörige mehrstufige Auswahlprozess besteht aus der Anforderungsanalyse, der Vorauswahl sowie der Feinauswahl und Bewertung der bis dahin selektierten Kandidaten, welche schlussendlich zur optimalen Werkstofflösung führt. In der Masterthesis setzte sich Daniel Barta intensiv mit drei Datenbanksystemen auseinander. Die Entscheidung fiel auf Ansys Granta Selector. Den Ausschlag gaben: • die systematische Auswahlmethodik • die umfangreiche, konsistente Informationsbereitstellung • die Visualisierung durch Werkstoffschaubilder, sogenannte Ashby Diagramme • die transparente Bewertung der Werkstoffe durch Vergleichstabellen • die Vergleichsmöglichkeit der Werkstofflösungen zum Referenzwerkstoff • die zur Validierung notwendige Verknüpfung zu Ansys-Produkten und generell CAx-Systemen • die Integrationsfähigkeit in bestehende Digital Engineering-Infrastruktur Bilder: Schunk

12 ANWE N D E RB E R I CHTE 20% leichter von A nach B Laut statistischem Bundesamt haben im Jahr 2021 allein in Deutschland über 5 Millionen LKW und Zugmaschinen Güter mit einem Gesamtgewicht von mehr 3,1 Milliarden Tonnen befördert. Weil mit leichten Transportlösungen Energie eingespart wird, minimiert die Schwarzmüller Gruppe systematisch deren Eigengewicht. Ein Schlüssel dafür: Digital Engineering und Simulation. Wer regelmäßig auf der Autobahn unterwegs ist, begegnet unweigerlich den Produkten von Schwarzmüller: Der Schriftzug des größten europäischen Nischenanbieters für Anhänger und Aufbauten aus Österreich ist allgegenwärtig, schließlich beliefert er in 21 Ländern die Bauwirtschaft, die Rohstoff- und Wertstoffindustrie sowie Transport-, Logistik- und Infrastrukturunternehmen. Rund 150 Produkte umfasst das Angebotsspektrum. Das Versprechen „Ganz auf exzellente Fahrzeugtechnik gebaut“ spüren Kunden beim Einsatz der Plateau-, Kipp-, Tank- und anderen Spezial-Fahrzeuglösungen von Schwarzmüller. SIMULATION: MAKE OR BUY? Weil jedes eingesparte Kilo die Energiekosten der Kunden senkt, ist Leichtbau ein Dauerbrenner bei den Entwicklungsingenieuren. Die Engineering-Strategien zur Gewichtsreduktion reichen von der Werkstoffauswahl über Designmodifikationen bis hin zum Denken völlig neuer Ansätze. Geht es um komplexere physikalische Fragestellungen, setzte Schwarzmüller lange auf das Know-how externer Simulationsspezialisten. Mit dem steigenden Bedarf reifte die Entscheidung, sie im eigenen Haus zu implementieren. Weniger Aufwand beim Handling, weniger Wartezeiten, mehr Unabhängigkeit – es gibt viele Gründe für eine Inhouse-Simulationslösung. Gemeinsam mit CADFEM Austria wurde 2021 ein individuelles Konzept dafür entwickelt. Ein Fokus zum Einstieg lag auf der Gewichtsreduktion der Trägerstrukturen durch simulationsgestützte Topologieoptimierungen. Aber nicht der einzige: „Mit Ansys Workbench können unterschiedliche Analysemethoden von einer zentralen Plattform aus angewendet werden,“ fasst Harald Bruhns, Head of Digital/Orga bei Schwarzmüller, die neue Unabhängigkeit bei der professionellen Simulation zusammen. Neben den Kostenvorteilen profitiert das Entwicklungsteam von kurzen Wegen und einem besseren Verständnis für die Physik in den Produkten. Wer selbst rechnet, bekommt viel tiefere Einblicke als derjenige, der sich „nur“ mit den Ergebnissen auseinandersetzen muss. Optimierungspotenziale können genauer identifiziert, Ideen für Neu- und Weiterentwicklungen ohne teure Prototypen schnell und objektiv geprüft werden. WENIGER IST MEHR Mit der systematischen Topologieoptimierung werden heute zusätzliche Einsparungen bei einzelnen Baugruppen von rund 20% erzielt, was sich bei den MateGewichtsreduktionen durch Strukturoptimierungen der Produkte sind wichtige Aufgaben der Entwickler.

13 CAD FEM JOU RNAL » DIE ELEARNING MODULE VON CADFEM ERMÖGLICHEN UNS EINE SEHR FLEXIBLE UND ZEITNAHE WEITERBILDUNG. HARALD BRUHNS Head of Digital/Orga, Schwarzmüller rialkosten bemerkbar macht – nicht aber bei der Sicherheit oder der Funktionalität. „Die Topologieoptimierung ist ein Paradebeispiel, wie das Verständnis für unsere Baugruppen verbessert wird. Aus den Ergebnissen können wir zielgerichtet optimale Konzepte ableiten,“, bestätigt Harald Bruhns. Oft führen die Analysen zu leichteren, ressourcenschonenden Lösungen und gleichzeitig zur Erhöhung der Transportkapazität. Mehr Leistung. Weniger Gewicht. UNTERWEGS MIT CADFEM Geht es um Simulationen mit Ansys, ist CADFEM Austria der Partner von Schwarzmüller. Schon vor der Einführung hat die Zusammenarbeit begonnen, die längst zu einem vertrauensvollen Austausch auf Augenhöhe geworden ist. Von der Aus- und Weiterbildung – die vor allem über die flexibel nutzbaren CADFEM eLearning-Formate erfolgt – über akute Problemlösungen durch den Hotline-Support bis hin zur Beratung rund um den perspektivischen Ausbau der Ansys-Infrastruktur. Denn eines ist sicher: Das Spektrum der Simulation wird nach den schon früh sichtbaren Erfolgen ausgebaut. Ein erster Schritt ist eine dezidierte Berechnungsabteilung, die sich auch mit Fragen zur Betriebsfestigkeit und zu Schweißnähten beschäftigen wird. Weitere Ideen und Pläne liegen bereits in der Schublade und werden zügig umgesetzt. Denn der Name Schwarzmüller steht nicht nur für Effizienz bei Produkten, sondern auch bei Prozessen. TOPOLOGI EOPTIMI ERUNG KURZ ERKLÄRT Bei der Topologieoptimierung wird ein Bauteil über die Identifikation der maßgeblichen Lastpfade auf die optimale Struktur hin analysiert. Ansys ermittelt dazu die effiziente Materialverteilung innerhalb des festgelegten Designraums. Neben relevanten mechanischen Belastungen werden wichtige konstruktions- oder fertigungsbedingte Vorgaben einbezogen. CADFEM.NET/SEMINAR-TOP0 MEHR ZUM THEMA Infoseite zur Material- & Energieeffizienz: CADFEM.NET/RESSOURCENEFFIZIENZ Mehr zum CADFEM eLearning CADFEM.NET/ELEARNING Mehr zu Schwarzmüller SCHWARZMÜLLER.COM Ausführlicher Beitrag im CADFEM Journal online CADFEM.NET/SCHWARZMUELLER Bilder: Schwarzmüller

Simulationen sind dafür eine entscheidende Technologie. Sie liefert die Antworten auf unzählige physikalische Fragen aus dem gesamten Lebenszyklus von Produkten und Prozessen – schnell, transparent und zuverlässig, vom ersten Brainstorming über Variantenvergleiche, Konzeptfindung und Werkstoffwahl bis hin zu Aspekten wie Herstellbarkeit, Betrieb und Recycling. Der Name CADFEM steht dafür schon seit 1985. Seitdem begleitet CADFEM Unternehmen, Forschende und Hochschulen beim erfolgreichen Einsatz von Ansys und anderen Simulationsprodukten. Garant dafür ist das CADFEM Team aus über 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit. Sie sorgen durch Aus- und WeiterCAE - Cadfem Aided Engineering Besser, performanter, nachhaltiger. Digital Engineering heißt, das volle Potenzial aus technischer Kreativität, präzisen Datenmodellen und cleveren Workflows auszuschöpfen. Damit aus einer guten Idee ein exzellentes Produkt wird – für Hersteller, Kunde und Umwelt. bildungsangebote, Support, Projektarbeit, Auftragsberechnungen oder IT-Services für einen reibungslosen Einsatz der Simulationssoftware. Mehr noch: Über DatenmanagementLösungen, Automatisierungen, Workflows und Individualisierung durch CADFEM wird Simulation integraler Teil eines hocheffizienten, maßgeschneiderten Digital Engineerings. CADFEM WELTWE IT Die CADFEM Gesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören zur weltweit aktiven CADFEM Group. CADFEMGROUP.COM SIMULATIONSPROJEKTE 2022 450 + MITARBEITENDE 450 + KUNDEN 4.000 +

SEMINARTITEL 100 + Eine lange und starke Partnerschaft – Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1985 sind wir enger Technologie- und Vertriebspartner von ANSYS, Inc. (Nasdaq: ANSS, ansys.com), dem weltweit größten Entwickler von Simu- lationssoftware. Wir vertreiben AnsysSoftwareprodukte und unterstützen AnsysAnwender in allen Fragen der Simulation. Seit 1985 ist CADFEM nicht nur der größte Ansys Elite Channel Partner, sondern pflegt auch einen direkten Draht zur Ansys- Entwicklung. Mit diesem Engagement für Ansys tragenwir aktivdazubei, dassKunden- wünsche zur Softwareentwicklung bei Ansys ankommen. ANSYS & CADFEM ELITE CHANNEL PARTNER HOCHSCHUL-STANDORTE 300 + ANSYS-EXPERTEN 240 + CADFEM.NET SCHULUNGSTEILNEHMER 2022 6.000 + WEITEREMPFEHLUNG 99% STANDORTE 35

» Simulation in den Wertschöpfungsprozess integrieren. Mitte 2022 wurde Matthias Alberts zum Geschäftsführer der CADFEM Germany GmbH berufen. Im Interview skizziert er, wohin die CADFEM Reise geht: Mit welchen Veränderungen muss die Engineering-Welt umgehen, welche Chancen treiben die CADFEM Kunden um, warum ist Simulation auch bei Vorständen ein Thema und was bedeutet dies für ein Unternehmen wie CADFEM? Matthias, Du bist jetzt seit einem Jahr Geschäftsführer von CADFEM Germany. Wie ist dein erstes Fazit? Sehr positiv. Wir haben ein gutes ambitioniertes Team und unsere Kunden erleben zunehmend den Mehrwert der Simulation, auch außerhalb der rein technischen Produktentwicklung. Insgesamt sehen wir, dass unsere Kunden viel bewegen und neue Märkte erschließen möchten. Was mich natürlich freut. Gehen wir noch etwas weiter zurück. Vor 15 Jahren bist Du zu CADFEM gekommen – was sind die größten Veränderungen? Zum einen sind da die technischen Möglichkeiten der Simulation, die sich enorm entwickelt haben. Die Simulation deckt heute ein viel breiteres Spektrum ab. Das sehen wir auch an unserem Partner Ansys und der Entwicklung des Produktportfolios. In den Gesprächen mit unseren Kunden kommt zudem immer stärker heraus, dass die Simulation an Bedeutung im Unternehmen gewinnt. Vor 15 Jahren war die Simulation technischen Experten vorbehalten. Das ist sie in vielen Bereichen sicherlich auch heute noch. Jedoch sehen wir einen Wandel. Heute ist sie auch bei Vorständen und Geschäftsführungen auf dem Schirm. Nicht als technisches Randthema, sondern im Sinne der Umsetzung einer virtuellen Produktentwicklung, im Zusammenhang mit der Digitalisierung oder in der Entwicklung neuer datenbasierter Geschäftsmodelle. Ich war erst kürzlich mit einem unserer Kunden im Gespräch, bei dem der Vorstand ein mehrjähriges Projekt zum „Digitalen Prototypen“ initiiert hat. Da sind wir begeistert dabei. Was bedeutet das für das Thema Simulation? Das ist eine Frage, der wir uns in den letzten Monaten verstärkt gestellt haben. Zwar ist die Simulation als Teil der Digitalisierung ein wichtiger Baustein für viele Unternehmen geworden, ihren wirklichen Mehrwert für unsere Kunden spielt sie jedoch nur aus, wenn sie das Digital Engineering befeuert, und ein integrierter Teil der Wertschöpfungskette ist. Wenn ich dies erreichen möchte, darf ich den Simulationsprozess nicht isoliert betrachten, ich muss die Simulation gewinnbringend in die Unternehmensprozesse einbinden. Wie geht Ansys damit um? Ansys hat erkannt, dass die Simulation keine Insellösung mehr im Entwicklungsumfeld eines Unternehmens sein darf. Ansys hat in den letzten Jahren mit Akquisitionen und Partnerschaften dafür gesorgt, dass wir in der Lage sind, die Simulation als Mehrwert in die Prozesse unserer Kunden zu integrieren. Das betrifft viele Aspekte im Unternehmen, von der Systemsimulation über die Prozessintegration bis zur Cloud-Lösung.

17 CAD FEM JOU RNAL Was bedeutet das für CADFEM? Unsere Aufgabe ist es, die Möglichkeiten der Simulation wie auch die Integration in bestehende und neue Prozesse bei unseren Kunden erfolgreich umzusetzen. Die jeweiligen Anwender unserer Kunden müssen wir befähigen, die Simulation möglichst effizient anzuwenden. Die Voraussetzungen sind hierbei immer unterschiedlich. Die ITSysteme und Entwicklungsprozesse sowie die technischen Kenntnisse sind nahezu immer individuell. Der Kunde möchte Gesamtlösungen, integriert in seine Prozesse. Wie reagiert CADFEM darauf? Wir müssen unsere Kunden verstehen, um ihnen ein ideales Paket aus Software, Integration, IT-Lösungen und Weiterbildung anzubieten. Beim Thema Ausbildung haben wir in eLearning Formate und Onlinetrainings investiert. Diese werden heute sehr erfolgreich angenommen. Den Ausbau der hybriden Trainingsmöglichkeiten werden wir auch in den nächsten Jahren weiter forcieren. Auf dem Gebiet der IT-Lösungen ermöglichen wir unseren Kunden sowohl lokale wie auch Cloud-Lösungen und deren Zusammenspiel. Zudem werden wir das gesamte Feld der Automatisierung von Simulationsprozessen und der Integration in bestehende Entwicklungsprozesse weiter ausbauen. Das reicht bis zur Entwicklung kundenindividueller Ansys-basierter Simulationslösungen. Auch in das Zusammenspiel von Simulation und Künstlicher Intelligenz werden wir investieren. Wir möchten zudem auch die Zusammenarbeit innerhalb der CADFEM Group weltweit weiter ausbauen. Und für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen wir ein attraktiver Arbeitgeber bleiben. MATTHIAS ALBERTS hat seine berufliche Laufbahn 2007 bei CADFEM in Hannover als Berechnungsingenieur begonnen. Es folgten verschiedene Tätigkeiten bei CADFEM im In- und Ausland. Er ist seit vielen Jahren Geschäftsführer der CADFEM (Austria) GmbH und seit Juli 2022 auch der CADFEM Germany GmbH. MEHR ZUM THEMA Mehr zu den genannten CADFEM Services Weiterbildung CADFEM.NET/SEMINARE IT-Lösungen CADFEM.NET/HARDWARE Automatisierung CADFEM.NET/CUSTOMIZATION Mehr zu den genannten Kundenprojekten RAUCH Furnace Technology CADFEM.NET/RAUCH-FT Krones CADFEM.NET/KRONES Liebherr CADFEM.NET/LIEBHERR Was hat der Kunde davon? Im ersten Schritt mussten wir verstehen, wie sich unsere Kunden und der Markt entwickeln werden. Hierfür haben wir in den letzten Monaten viele Gespräche, Interviews und Umfragen durchgeführt. Wir können heute sehr gut überblicken, welche Themen unsere Kunden beschäftigen. Dies geht von Material- und Energieeinsparungen, über die Differenzierung vom Markt, einer effektiveren Produkt- und Prozessentwicklung bis zu Herausforderungen rund um steigende Produktkomplexität. Mit automatisierten Simulationslösungen können Unternehmen beispielsweise dem Fachkräftemangel begegnen. Über Digitale Zwillinge können Themen wie Predictive Maintenance umgesetzt und damit neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Dies machen wir beispielsweise zusammen mit ITficient einem unser Schwesterunternehmen innerhalb der CADFEM Group. Über Simulationslösungen kann nicht zuletzt der Einsatz von Material und Energie optimiert werden. Gibt es Beispiele, über die Du reden darfst, in denen diese Ausrichtung schon drinsteckt? Ein tolles Beispiel ist RAUCH Furnace Technology, die mit ITficient und uns einen Digitalen Zwilling eines Magnesium-Schmelztiegels umsetzen. Auch die Zusammenarbeit mit Krones bei der Realisierung einer Softwarelösung für die Simulation durch Konstruktionsingenieure ist ein schönes Beispiel für die Integration der Simulation in den gesamten Unternehmensprozess. Im letzten CADFEM Journal haben wir über unsere Zusammenarbeit mit Liebherr berichtet, auch hier gibt es viele gemeinsame und erfolgreiche Beispiele. In Zukunft werden weitere für uns und unsere Kunden wegweisende Projekte hinzukommen.

18 CAD FEM Die Entwicklung oder Überwachung hochkomplexer Systeme ist ohne digitalisiertes Engineering undenkbar. Die Simulationsmodelle sind riesig, bilden sie doch detailliert viele unterschiedliche Einflüsse und Wechselwirkungen ab. Müssen die Ergebnisse sehr zeitnah vorliegen – man denke an virtuelle Sensoren in einem digitalen Zwilling, deren Aussagen synchron zum realen Effekt gebraucht werden – reicht auch der massive Einsatz von High-Performance-Computing nicht mehr aus. GROSSE VERFAHRWEGE IN DER SYSTEMSIMULATION Pick-and-Place-Maschinen haben die Aufgabe, Bauteile aus einer Zuführung aufzunehmen und an anderer Stelle schnell und exakt zu positionieren. Dazu verfährt eine Greifereinheit relativ zu einem Portal schnell über einen großen Verfahrweg. In der FE-Simulation modelliert man diese wandernde Last über nichtlineare Kontakte entlang der Führungsschiene, die transiente Simulation des gesamten Vorgangs verbietet sich jedoch aufgrund der hohen Anzahl an Zeitschritten. Um die Interaktion von Regler, Antrieb und Mechanik zu beobachten, liegt der Weg über eine Modellordnungsreduktion (MOR) in die Systemsimulation nahe. Die Systemdynamik der Maschine wird über die RelativposiOptimale Positionsregelung einer Pick-and-Place-Maschine für schnelles und exaktes Positionieren tion des Greifers zum Portal bestimmt, womit der übliche Ansatz einer modalen Reduktion mit Remote-Points als Anbindungspunkte hinfällig ist. Ein eingeführter Zwischenschritt trägt dem Rechnung: Die Deformation der Führungsschiene normal zur Bewegungsrichtung wird nicht wie in der FE durch einzelne Knotenverschiebungen abgebildet, sondern auf eine neue Basis, ein Set von Einheitsverschiebungen, projiziert. Gewichtet mit zeitabhängigen Koeffizienten kann damit die Verschiebung jedes Knotens an der Oberfläche jederzeit über eine geringe Anzahl an Freiheitsgraden beschrieben werden. Die Einheitsverschiebungen angewendet als Terminale für das ROM aus Model Reduction inside Ansys (MORiA), erlauben eine Kombination der positionsabhängigen Deformation des Portals und der Führungsschiene mit deren inneren Moden in einem Modell. Für die Anbindung des beweglichen Greifers kommt eine Übersetzung zum Einsatz, welche Kräfte und zugehörige Verschiebungen aus physikalischen Koordinaten des Greifers in das Basissystem der Führungsschiene und zurück beschreibt. Die damit erzielte Beschleunigung in der Systemsimulation gegenüber einer FERechnung beläuft sich ca. auf einen Faktor 1.000 und macht die detaillierte Untersuchung und Optimierung von Positioniervorgängen erst möglich. BLICK IN DIE TECHNIK: SYSTEMSIMULATION ALS INNOVATIONSTREIBER Dann sind Systemsimulationen und Modellreduktionsstrategien das Mittel der Wahl. Dies gelingt durch die geschickte Kombination verschiedener Modelltypen, Reduktionsansätze und CADFEM Knowhow. Drei CADFEM Projekte zeigen, dass diese Herangehensweise vieles nicht nur schneller, sondern einiges erst möglich macht.

19 CAD FEM JOU RNAL LEISTUNGSELEKTRONIK - TEMPERATUR-ABHÄNGIGE VERLUSTE IM PACKAGE Zu viele Zeitschritte sind auch der Schmerzpunkt der thermisch-elektrischen Simulation von Leistungselektronik, z.B. in Halbbrücken. Mit dem Aufkommen der SiCTechnologie verschiebt sich der Schwerpunkt der umgesetzten Verlustleistung weg vom Halbleiter hin zur Jouleschen Erwärmung von Leiterbahnen und Bus Bars. Die Erwärmung führt zu einer Änderung der elektrischen Leitfähigkeit, was wiederum das Verhalten der Schaltung und ihrer Verluste stark beeinflusst. Die sehr unterschiedlichen Zeitskalen dieser sich gegenseitig beeinflussenden Effekte (Nanosekunden vs. viele Sekunden) verbietet die Modale Stromdichteverteilung und Wärmegenerationsrate im PCB einer Halbbrücke - Basis für den digitalen Zwilling gekoppelte Abbildung im FE-Modell. Auch hier hilft der Weg über die MOR. Durch die nichtlineare Natur der Kopplung (die Wärmestromdichte ist das Quadrat der Stromdichteverteilung) ist die Reduktion beider Domänen gemeinsam nicht möglich. Die Lösung bietet auch hier eine neue, geeignet gewählte Basis: Die der orthogonalisierten Stromdichteverteilungen aus der Beschaltung. Jeder Strommode wird ein temperaturabhängiger Widerstand zugewiesen, die umgesetzten Leistungen findet als Lastvektoren Eingang in ein thermisches ROM. Die Beschleunigung ist hier noch deutlich eindrucksvoller: Ein Faktor 30.000 ermöglicht einen genauen Blick in die thermischelektrische Wechselwirkung als eine wichtige Quelle örtlich aufgelöster Verluste. INDUKTIONSHÄRTEN - VIRTUELLER TEMPERATURSENSOR Für die Online-Optimierung von Fertigungsprozessen wie dem induktiven Härten liefern virtuelle Sensoren wertvolle Hinweise. Das Härteergebnis hängt von vielen Fertigungs- und Materialparametern ab – ersteres ist kontrollierbar, jedoch in Kombination mit Chargenschwankungen der Materialien ist aktuell das Fingerspitzengefühl des Anlagenführers eine wichtige technologische Einflussgröße. Für verbesserte Prozesskontrolle (schneller, weniger Nacharbeit ) haben Anlagenbetreiber ein großes Interesse, die Temperaturverteilung und den Einfluss der Fertigungsparameter darauf „live“ vorherzusagen. Für die notwendige MOR wurde auch hier ein Sonderweg beschritten: Die elektromagnetischen Effekte sind hochgradig nichtlinear, örtlich von der Temperaturverteilung abhängig und quasistationär, das Temperaturfeld ist näherungsweise linear, jedoch zeitabhängig. Durch zwei MEHR ZUM THEMA Systemsimulation CADFEM.NET/SYSTEME Model Reduction inside Ansys CADFEM.NET/MOR AUTORIN Dr.-Ing. Hanna Baumgartl betreut seit 2014 bei CADFEM Kunden im Bereich der Systemsimulation und ist in zahlreiche Projekte involviert. Hanna hat an der TU Ilmenau Maschinenbau studiert und zum Thema Systemsimulation promoviert. Digitaler Zwilling für das induktive Härten eines Zahnrades Sets an Basisvektoren (Temperaturverteilung und Wärmegenerationsrate) erfolgt in der Systemsimulation die ortsaufgelöste Kopplung zweier Modelltypen über die Koeffizienten der Basen. Die Nichtlinearität der Wärmegenerationsrate als Funktion der Temperatur wird über MOP-Modelle aus optiSLang repräsentiert, ein Zustandsraummodell mit Wärmegenerations-Lastvektoren liefert den transienten Verlauf der Temperaturverteilung und die Kombination beider Modelle liefert den notwendigen schnellen Einblick.

20 CAS E STU DY Magnesiumlegierungen sind gefragte Leichtbau-Werkstoffe. Verarbeitet werden sie in Schmelzöfen, in denen extreme Hitze und große Temperaturschwankungen herrschen. Versagt ihr Herzstück, der Tiegel, steht die gesamte Gusszelle still. RAUCH-FT hat dieses Risiko drastisch gesenkt, indem ein Digitaler Zwilling den Tiegelzustand überwacht. Aufkommende Probleme werden so früh genug erkannt, um Ausfallzeiten durch kontrollierte Maßnahmen vorzubeugen. Prädiktive Wartung: Ich sehe was, das Du nicht siehst. Bild: 850726902 zur Verfügung gestellt von Bloomberg/via Getty Images

21 CAD FEM JOU RNAL » MIT DEM DIGITALEN ZWILLING TREIBEN WIR DIE DIGITALISIERUNG AUCH IN EINER SO TRADITIONSREICHEN BRANCHE WIE DER GIESSEREIINDUSTRIE VORAN UND ZEIGEN DIE BENEFITS AUF. FLORIAN SIPEK Leiter FuE, RAUCH-FT Was verbindet Wasserkraft und Gießereitechnik? Es sind traditionsreiche Branchen, bei denen große Kräfte wirken. Sie gelten zudem als konservativ und werden bei Themen wie der digitalen Transformation gerne unterschätzt. Zu Unrecht, denn z.B. VERBUND, der Betreiber der großen österreichischen Wasserkraftwerke, sichert schon seit Jahren die Einsatzbereitschaft seiner Anlagen digital ab. Dazu füttern echte Sensoren die digitalen Abbildungen kritischer Bauteile mit realen Lastdaten. Virtuelle Sensoren an kritischen Stellen erlauben die Auswertung der auftretenden Belastung und die Bewertung des Verschleißes. Werden definierte Grenzwerte erreicht, die einen Ausfall ankündigen, können sich die Techniker ohne Komplikationen um Wartung oder Austausch kümmern. Viele reden noch von „Digitalen Zwillingen“ – VERBUND hat sie gemeinsam mit den Partnern ITficient und CADFEM bereits realisiert. Ein weiterer Link zur Gießereitechnik entstand 2019 auf der CADFEMConference in Linz. Die Vorstellung des VERBUND-Projektes beeindruckte Florian Sipek, Physiker beim österreichischen Spezialisten für Schmelztechnik RAUCH-FT so sehr, dass » FÄLLT EIN SCHMELZOFEN PLÖTZLICH AUS, SIND DIE FOLGESCHÄDEN FÜR UNSERE KUNDEN OFT GRAVIEREND. DAS ERHEBLICH GERINGERE RISIKO BEI UNSEREN ANLAGEN IST EIN ECHTER WETTBEWERBSVORTEIL. HANNES VIERTBAUER Sales Manager, RAUCH-FT er es auf die eigenen Produkte übertrug und mit dieser Idee auch seine Kollegen begeisterte. Was nicht verwundert, denn Innovation und Mut zu neuen Wegen, gehören zur DNA von RAUCH-FT. Sie haben das hochspezialisierte Unternehmen an die Weltspitze in der Schmelztechnik geführt, bei Mg-Schmelzanlagen gilt es als Weltmarktführer. Das verpflichtet. Nachchargieren einer RAUCH-FT Schmelzanlage mit Mg-Masseln. Die Qualität des Schmelzmaterials bestimmt maßgeblich den Wartungsbedarf der Anlage. DIGITALISI ERUNG DER EXTREME Schmelzöfen haben es „in sich“: Wenn darin Metalle geschmolzen, recycelt und auflegiert werden, ist es bis zu 2000°C heiß, Gasströme haben Geschwindigkeiten von 1.000 km/h, Belastungswechsel sind die Regel. Mehr Ausfallsicherheit der Schmelzanlagen ist für die Betreiber viel wert. Denn steht eine Anlage plötzlich still, drohen neben den Schäden am Ofen empfindliche Produktionsverzögerungen oder -ausfälle. Schlimmstenfalls kommt es zur Gefährdung der Mitarbeitenden. » DIE UMSETZUNG VON DIGITALEN ZWILLINGEN IST UNABHÄNGIG VON EINER BRANCHE. SIE BASIERT AUF DATEN, PHYSIK UND DEM PRODUKTWISSEN DES KUNDEN. TERESA ALBERTS Geschäftsführerin, ITficient AG Die Idee: Digitale Zwillinge sollen solche Gefahren erheblich reduzieren, indem sie Probleme früh sichtbar machen. Darüber hinaus will RAUCH-FT den Kunden im laufenden Betrieb wertvolle Erkenntnisse liefern, d.h. sie auf Wartungs- oder Reinigungsbedarfe hinweisen. DATEN UND SIMULATIONSWISSEN PERFEKT ORCHESTRI ERT In der Gießereitechnik gibt es noch keine vergleichbaren Ansätze. RAUCH-FT ist die Herausforderung – wie schon die Impulsgeber von VERBUND - mit ITficient und CADFEM angegangen. ITficient für Datenmanagement, Geschäftsmodell- und IT-Architektur, CADFEM für die Simulation, von Strömung über verschiedene transiente und nichtlineare strukturmechanische Anwendungen und Sensitivitätsstudien bis hin zu Systemsimulationen inklusive Zustandsbewertung. RAUCH-FT war gerüstet für den Digitalen Zwilling. Zum einen werden bereits viele Anlagen und Komponenten simuliert. Meist geht es um Strömungsmechanik, das Spektrum reicht von transienten Abkühl- und Aufheizprozessen über Vorgänge in Dosier- oder Strömungspumpen bis hin zu chemischen Reaktionen. Zum anderen ist neben einer leistungsfähigen IT-Infrastruktur über die Fernwartung schon ein großer Datenpool zur Anlage vorhanden. Dessen Auswertung liefert wertvolle Erkenntnisse zum Betrieb der Öfen, die ebenfalls in den Digitalen Zwilling einfließen.

22 ANWE N D E RB E R I CHTE WI E LANGE HÄLT DER TI EGEL? Das ideale Bauteil für die erste praktische Umsetzung ist der Tiegel. Die SchweißkonstruktionausStahl ist hochbelastet: „2000°C heißes Rauchgas außen, korrosives Schutzgas und hydrostatischer Druck von bis zu 4t schwerer Schmelze innen“, erklärt Florian Sipek. „Hinzu kommen extreme Temperaturgradienten, die Strahlungsleistung der Flamme und hohe Geschwindigkeiten bei einer inhomogen verteilten Strahlungsenergie“. Versagt der Tiegel, steht das System still. Die Wartung basiert üblicherweise auf Erfahrungswerten, was funktionieren kann - in einer idealen Welt. Sobald aber Unregel- mäßigkeiten in den Prozessen oder bei der Handhabung auftreten, droht ein Versagen und damit Folgeschäden. „Genau dann zeigt sich der Wert der prädiktiven Wartung“, fasst Florian Sipek zusammen. E INFLÜSSE DER SEGREGATION Die Idee der digitalen Zustandsüberwachung des Tiegels ist ein Zusammenspiel aus realen Messwerten und virtueller Sensorik. Durch die in der Schmelze auftretende Segregation, d.h. Absetzung bestimmter Verbindungen, bildet sich ein Sumpf am Tiegelboden. Er führt lokal zu einer Änderung der Strömungsbedingungen und der Materialpara- meter Wärmeleitung und Wärmekapazität, was den Wärmetransport am Tiegelboden von Ofenraum zu Schmelze stört. In Verbindung mit der inhomogenen Temperaturverteilung an der Außenwand entstehen hohe Spannungen im Tiegel. Komplexe und extrem schnelle Strömungsvorgänge im Ofenraum müssen abgebildet werden. Die Sumpfmenge ist demnach eine wichtige Kenngröße für eine korrekte Aussage zur Echtzeit-Belastung des Tiegels und damit auch für die Verlässlichkeit der prädiktiven Wartung. Aufgrund der Umgebungsbedingungen im Tiegel und im Ofen ist die Nutzung realer Sensorik für die Temperaturmessung kaum möglich. Daher sah das Konzept von CADFEM virtuelle Sensoren für die Simulationen vor. Zusammen mit einer aus den Temperaturen berechneten Sumpfmenge und den Prozessparametern kann so mit wenigen Messstellen und Eingangsgrößen auf eine lokale Belastung am Tiegel geschlossen werden. Für die Vorhersage der verbleibenden Standzeit des Tiegels sind die präzise Modellierung der Temperaturverteilung im Ofenraum durch Computational Fluid Mechanics (CFD) und der Spannungen an den Schweißnähten (Strukturmechanik, FEM) essenziell. CFD-seitig wird für eine korrekte Vorhersage der Flammentemperatur, der Wärmestrahlung und des Impulseintrags eine Verbrennungssimulation des Brenners und des Ofenraums durchgeführt. Auf Basis der CFD-Ergebnisse werden eine Temperaturfeld- und eine Spannungsanalyse durchgeführt, mit der Schmelze als variable Wärmesenke, um das Aufschmelzen eingeworfener Barren abzubilden. IN JEDER INFRASTRUKTUR Der Digitale Zwilling muss die individuellen Voraussetzungen beim Endkunden adaptieren – bei den abzubildenden Prozessen genauso wie bei der genutzten IT-Infrastruktur. Ein Konzept zur IT-Integration ist ein wichtiger Baustein bei der Umsetzung, es geht u.a. um den Umgang mit Sensordaten, den Betrieb des Zwillings, Security- und Netzwerk-Themen. ITficient konnte bei RAUCH-FT auf einen Datenpool und eine IoT-Plattform aufsetzen. Die notwendigen Microservices – Entgegennahme der Sensor- und Maschinendaten, Berechnung der virtuellen Sensoren, Modelle und Prozesse, Datenhaltung und -auswertung sowie Visualisierung von Ergebnissen – wurden dort so integriert, dass IT-Ressourcen optimal ausgeschöpft wurden, keine Insellösungen entstanden sind und RAUCH-FT die volle Kontrolle über alle Vorgänge in der Hand behalten hat, d.h. auch, sie eigenständig weiterentwickeln kann. Die präzise Simulation der thermischen Vorgänge im Ofenraum die in Zusammenarbeit mit den CADFEM Spezialisten durchgeführt wurde, trägt wesentlich zu einer verlässlichen Vorhersage des Tiegelzustandes bei. » DIGITALE ZWILLINGE SIND EINE WICHTIGE SYMBIOTISCHE ERWEITERUNG DER REALITÄT DURCH SIMULATION. CHRISTIAN ABRAMOWSKI Leiter Digital Twin Team, CADFEM

23 CAD FEM JOU RNAL ITFICI ENT UND CADFEM Ein leistungsfähiger Digitaler Zwilling hat zwei wesentliche Ebenen: Akkurate Simulationen und eine zuverlässige IT-Infrastruktur. Erfolgreich wird das Projekt dann, wenn beide Seiten ineinandergreifen. Dies ist bei RAUCH-FT auch deshalb gelungen, weil mit CADFEM und ITficient zwei Partner eingebunden wurden, die in ihrem jeweiligen Bereich viel Erfahrung mitbringen. Gleichzeitig stehen sie in engem und vertrauensvollem Austausch, sind sie doch beide als Unternehmen der CADFEM Group auch organisatorisch eng miteinander verbunden. Der Dritte im Bunde ist RAUCH-FT, unterstützt von seinem Pilotkunden, Georg Fischer Casting Solutions, der mit dem digital überwachten Schmelzofen mehr Arbeitssicherheit für die Mitarbeiter erreicht. Fundiertes Produktwissen, Offenheit für Neues, viel Kommunikation, eine klare Vorstellung, was erreicht werden soll und die Einbindung An unterschiedlichen Parametern kann der Tiegelzustand über seinen datenbasierten Digitalen Zwilling beobachtet werden. Der Tiegel war erst der Anfang. RAUCH-FT ist dabei, auch für andere Bauteile des Ofens und Zubehörkomponenten Digitale Zwillinge zu entwickeln. aller Unternehmensbereiche in das Projekt waren Schlüssel zum Erfolg. Vorhandene Kompetenzen wurden integriert, manche Aufgaben kooperativ durchgeführt, andere wieder als reine Dienstleistung von CADFEM oder ITficient – immer im Sinne des definierten Ziels eines kompletten Knowhow Transfers zu RAUCH-FT. Denn der Tiegel war erst der Startpunkt – RAUCH-FT will die erworbenen Fähigkeiten zu Planung, Aufbau und Management eines Digitalen Zwillings skalieren und künftig alle relevanten Bauteile wie Dosierpumpen, Beheizungssysteme oder Umwälzpumpen und ganze Anlagen mit digitalen Lösungen zur prädiktiven Wartung zur Verfügung stellen und damit in der Gießereitechnik und bei Kunden wie Georg Fischer Maßstäbe setzen. Diese Vision endet nicht bei den eigenen Produkten. Eine klassische Druckgusszelle besteht nicht nur aus dem Schmelzofen, sondern aus weiteren Komponenten verschiedener Hersteller. Seien es Roboter, Presse, Heiz-/Kühlgerät oder die Druckgussmaschine selbst - in der Gießerei hat beinahe jedes Bauteil das Potenzial für einen Digitalen Zwilling. Der Anfang ist gemacht: Von RAUCH-FT. MEHR ZUM THEMA Mehr zu Digitalen Zwillingen bei CADFEM CADFEM.NET/ZWILLING Mehr zu ITficient ITFICIENT.COM Mehr zu RAUCH Furnace Technology RAUCH-FT.COM Ausführlicher Beitrag im CADFEM Journal online CADFEM.NET/RAUCH-FT EIN DIGITALER ZWILLING BRAUCHT LIEBE … ZUM DETAIL STAKEHOLDER: Wer im Unternehmen ist betroffen? SICHTWEISEN: Welche Herausforderungen und Mehrwerte gibt es? PERSONAS: Wer sind die zukünftigen Nutzer? PRIORISIERUNG: Welcher Use Case eignet sich zum Einstieg? TECHNISCHE ANALYSE: Welche Modelle, Sensordaten, IT-Infrastrukturen sind vorhanden? Empfehlung: Ein moderierter Intensiv-Workshop mit eingehender Analyse von Anforderungen, Zielen und Voraussetzungen hat sich als Basis für ein erfolgreiches Digital-TwinProjekt bewährt. Es folgen Grobkonzept des Use Cases, Proof of Concept, Implementierung und Skalierung. WORKSHOP@ITFICIENT.COM » SOWOHL DIE ARBEITSSICHERHEIT, ALS AUCH DER ARBEITSAUFWAND WIRD DURCH DEN DIGITALEN ZWILLING VERBESSERT. DIES MACHT GF CASTING SOLUTIONS ALS ARBEITGEBER ATTRAKTIV, GERADE IN ZEITEN VON ERHÖHTEM PERSONALMANGEL. ANDREAS THALER Leiter Betriebstechnik, GF Casting Solutions Altenmarkt

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